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Buchtipps - Krimisophie

Eine außergewöhnliche und spannende Mischung: ein Porträt der Sklaverei im Jahr 1830 auf Barbados, ein Reisebericht mit Jules Verne-Momenten, die Ich-Werdung eines Jungen, der nicht als Mensch vorgesehen war.

Eine winzige norwegische Insel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Gezeiten, Sturm, Schnee, aber auch helle Sommertage. Das alles findet man einem Roman, der leise, unspektakulär und fesselnd aus der Zeit fällt. Barrøy heißt die Insel, wie die Familie, die dort lebt, der alte Vater, sein Sohn mit Frau und Kind, die Schwester, die nicht ganz richtig im Kopf ist, so heißt das, die aber richtig anpacken kann, und ihr Sohn.

Ein Thriller, der aus dem Rahmen fällt: Außergewöhnliche Heldin, außergewöhnliche Mischung aus Action und Sensibilität, schlichter Heldinnenverehrung und Differenzierung. Jenny Aaron ist eine Superheldin, hervorragend trainiert, sie kann Karate, sie kann schießen und alles andere, was man so braucht, um unter Killern zu überleben. Dabei ist sie blind: Die Elitepolizistin hat ihr Sehvermögen in Barcelona durch einen Schuss in den Kopf verloren.

Achtsamkeit ist das neue Yoga: der ultimative und garantierte Entspannungs-, Glücks- und Sinngeber. Aber es geht noch viel mehr, das zeigt dieses schräge Krimidebüt eines Anwalts und TV-Comedy-Autors.

Das Konzept ist immer noch verheißungsvoll: Ein Ex-Militärpolizist vagabundiert durch Amerika – ohne Gepäck und anderen Ballast, kein Besitz, keine Versicherungen, keine Verpflichtungen, kein Ziel. Es ist der Ortsname, der Reacher aus dem Zug aussteigen lässt, irgendwo im Mittleren Westen: Mother’s Rest. Er hat sonst nichts zu tun, kann seine Zeit verbringen, wo und wie er will – und an diesem Tag interessiert ihn, welche Mutter dort Ruhe gesucht, vielleicht auch gefunden hat, welche Geschichte hinter dem Ortsnamen steckt.

Umstritten, bewegend, nachdenkenswert: Werke von Ai Weiwei sind in Düsseldorf zu sehen, die Kunst und Politik eng verbinden. Für die, die es nicht in die Ausstellung schaffen, ist der Katalog eine Alternative.  Es wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Zum Beispiel: Sunflower Seeds, 60 Millionen Sonnenblumenkerne aus Porzellan, jeder einzelne handgefertigt, hergestellt von 1.600 Kunsthandwerker*innen in zweieinhalb Jahren. Oder Straight, Eisenstäbe in 142 Transportkisten, 164 Tonnen Armierungsstahl.

Ausgezeichnete Bücher, bemerkenswerte Autorin: Hotel Cartagena erscheint zwar erst Ende September, war aber jetzt schon Anlass, mit Simone Buchholz über ihre Krimis zu sprechen. Der Anlass war ein Text für das Börsenblatt, der einmal nur Crime Ladys in den Blick nehmen sollte. Denn das Spannungsgenre ist immer noch deutlich männerdominiert: Der Studie #frauenzählen zufolge rezensieren Männer am liebsten Krimis von Männern. Aber immer mehr Autorinnen brechen die alten Strukturen auf, sichern sich Aufmerksamkeit und Preise. Simone Buchholz zum Beispiel.

Delia Owens Debütroman fällt aus dem Rahmen, ist leise und sehr berührend. Die Zoologin, die lange in afrikanischer Einsamkeit forschte, erzählt von einem Kind, das allein in einer Marschlandschaft überleben muss.

Radiogeplätscher ist mir nachgegangen und der Vorschlag des btb-Verlags: Mit Adorno in Neapel könne man den 50. Todestag des Philosophen begehen. Die Frage ist aber: Wozu braucht man solches Gedenken?

Leise, fesselnd – und fokussiert auf Fragen, die zu einem klassischen Krimi gehören: Fragen nach Gerechtigkeit und Humanität. Es lohnt sich, den bei uns nicht allzu bekannten australischen Autor Garry Disher zu entdecken.